Mittwoch, 22. Mai 2013

Südindien





Wer hätte das gedacht: mein Indienaufenthalt endet in der Karibik unter Kokospalmen. So fühlt man sich jedenfalls, wenn man das wunderschöne Resort erreicht, in dem wir die letzte Woche verbringen. Kerala, so heißt der Name des indischen Bundesstaates an der Süspitze des Subkontinents am Arabischen Meer. Nie war ein Name so aussagekräftig: Land der Kokospalmen. Im Resort Thapovan (www.thapovan.com - etwas Schleichwerbung muss sein) lässt man das im Blog oft beschriebene leicht chaotische Leben im Alltags-Indien hinter sich. Herrliche Ruhe unter Palmen, kein Satelliten-Fernsehen und kein Swimmingpool, dafür wahlweise  weißer Sandstrand vor der Tür, oder ein unvergleichlicher Blick über Meer und Kokospalmenwälder. (Thapovan hat 2, ca. 200 m voneinander entfernte Standorte). Leider kann man um diese Jahreszeit wegen der gefährlichen Brandung nicht baden. Der nächste Badestrand ist einige Kilometer entfernt.


Chaotisches Indien? Außerhalb des Resorts kein überflüssiges Hupen (außer der gesetzlich vorgeschriebenen Warnung anderer Verkehrssteilnehmer), keine Kühe auf der Fahrbahn, Ampeln haben nicht nur Empfehlungscharakter, von Affen keine Spur und relativ wenig  Dreck am Straßenrand. Eindeutig: Südindien unterscheidet sich spürbar vom Norden. 

Das gilt auch für die politische Kultur des Landes: Kerala hatte die erste gewählte kommunistische (Landes-) Regierung der Welt - und ist gut damit gefahren. Die Alpabethisierungsrate liegt bei weit über 90 %, das Durchschnittseinkommen beträgt das Vierfache des sonstigen Indien. Alles funktioniert ganz (westlich) demokratisch: alle vier Jahre gibt es bei den Wahlen einen Wechsel mit der Kongressparteil. Zufällig war Rahul, der voraussichtlich nächste Ministerpräsident Indiens - oder sollte man sagen: Maharadscha? - aus der Dynastie der Gandhis (Nehru, Indira Gandhi, Rajiv und jetzt möglicherweise Rahul) in Trivandrum, als wir die Stadt besuchten.
Obwohl hier noch kein Wahlkampf, nicht mal Vorwahlkampf, angesagt ist, gehen die Emotionen höher als bei uns in der entscheidenden Phase des Wahlkampfs zur Bundestagswahl. Horden Jugendlicher (und nicht ganz so Jugendlicher) ziehen  zu Fuß, auf dem Moped oder auch mit dem Bus durch die Stadt und skandieren Lobeshymnen. Die Stadt zeigt Flagge: die orange-weiß-grünen Fahnen der Kongresspartei flattern auf allen größeren Straßen. Damit nur kein falscher Eindruck entsteht, hat die kommunistische Partei (CPI) vor jede INC-Flagge eine rote mit Hammer und Sichel gepflanzt.




Trivandrum (oder indisch als Zungenbrecher: Thiruvananthapuram) ist eine schöne Stadt mit viel Grün, und hat etwa soviel Dreck wie in Berlin und eine lange Geschichte. Die hier im Süden zu findenden Gewürze haben Römer, später Araber, dann natürlich Briten, Portugiesen und Holländer angelockt. Das hat zumindest den König der Könige, den Maharadscha, reich gemacht. Davon zeugt der Palast des Maharadschas von Travancore, der wunderschöne Holzschnitzereien aufweist, auch viel Böhmisches Kristall und Meißener Porzellan. Immerhin waren diese Tauschobjekte mehr wert als die Glasperlen, mit denen die Ureinwohner auf der anderen Seite der Erde über den Tisch gezogen wurden.  Allerdings kann man Meißener Porzellan nicht essen, und so bleibt zu hoffen, dass für die Bevölkerung Eßbares bei dem Handel abgefallen ist. 
Trivandrum ist ein kulturelles Zentrum. Ob klassisches Konzert oder Galerien:  wem es im Resort am Strand auf Dauer zu langweilig wird, kann nach einer knapp 30-minütigen Autofahrt in die östliche (und auch westliche) Kultur eintauchen. Zur Kultur gehört in Indien immer auch die Religion. Damit hat es seine besondere Bewandnis. Auch im Norden - sprich Mandi - gibt es neben Hindus Moslems und Christen.   Sie treten aber kaum in Erscheinung. Ganz anders in Kerala, speziell Trivandrum. Mit pompösen Bauten, möglichst auf  gegenüberliegenden Straßenseiten, versuchte man sich gegenseitig zu übertreffen. Nur gut, das Trivandrum einen wunderschönen hinduistischen Tempel hat (zu dem aber nur Hindus Zutritt haben). Der Shri-Padmanabhaswamy-Tempel ist im Vergleich zu den typischen hinduistischen Tempeln, die ich gesehen habe, riesengroß und imposant. Ein Wetteifern wie zwischen Kirchenglocken und Muezzin haben die Hindus nicht nötig. Man muss wissen, ca 12% der Bevölkerung sind Moslems, 15 % Christen und mehr als 70% Hindus. Gleichwohl beherrschen die Muslime in wirklich penetranter Weise die Szene. Der Drang, die "Ungläubigen" zu bekehren, macht auch vor unserem Resort nicht halt, glücklicherweise nur akustisch. In ca. 3 km Luftlinie liegt der Fischereihafen von Vizhinjam.  Im Abstand von höchstens 150 m wurden dort 3 (drei!) Moscheen errichtet, die über ausgezeichnete Lautsprecher verfügen. Steht der Wind ungünstig, kann man von der Terrasse des Resorts mühelos der Predigt zu hören, täglich hat offenbar einer der drei Mullas Dienst. Den Muezzin am frühen Morgens lässt man sich vielleicht noch gefallen, die abendliche Predigt, (ca. 19 - 22 Uhr), ist vom Tonfall her am besten mit (christlichen) amerikanischen (Hass-)Predigern aus dem Bible Belt vergleichbar, gegen die Billy Graham ein Waisenknabe war, Hallellujja, Hallellujja. Pünktlich um 19:45 ertönt für ca 1 Minute das blecherne Glöckchen der Kirche, die nur wenige Schritte von der Moscheen-Ansammlung entfernt steht. Von den Hindus keine (akustische) Spur. Auch ihr örtlicherTempel wirkt, wie die meisten hinduistischen Tempel, bescheiden. Was lernen wir daraus? Das sei jedem selbst überlassen. Ich jedenfalls bin sicher, dass politisch korrektes Ignorieren nicht immer die richtige Haltung gegenüber radikal-aggressivem Verhalten ist, in welcher Lebenslage auch immer.  Interessant das Kontrastprogram: Inschrift auf der Strecke der Shimla - Kalka -Bahn: "Es gibt nur einen Gott: den der Muslime - Allah, den der Christen und Brahman,den der Hindus".


Zurück zu Thapovan und anderen Resorts in der Umgebung. Südindien ist für Ayurveda-Kuren bekannt, die in der Regel 4 Wochen dauern. Auch in dieser Hinsicht ist das Resort zu empfehlen. Von Deutschland aus über Doha, Dubai oder Abu Dabi in einem Reisetag zu erreichen,  sehr freundliches Personal, das dank der von allen gelobten Atmosphäre (und wahrscheinlich ordentlicher Bezahlung) meist seit vielen Jahren im Thapovan tägig ist. Wir haben, da nur 7 Tage zur Verfügung standen, ein Starter-Paket, so zu sagen ein Ayurvedea Quickie, über zwei Tage gebucht. Dazu gehörte ein wunderbares ayurvedisches (Hochzeits-) Dinner auf Bananenblatt und eine ayurvedische Massage. Die hat uns so gut gefallen, dass wir für unseren letzten Tag eine weitere gebucht haben. Dank eines duchwachsenen Sonnenbrands liege ich jetzt allerdings nicht auf der Massagebank sondern schreibe diesen Blog bei einem Glas frisch gepressten Ananassafts.

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