Samstag, 13. April 2013

Beim Heiligen auf dem Berg


Sieht man vom Müll auf den Straßen, den überall gegenwärtigen Kuhfladen, den manchmal wackligen Häusern oder der Nationalstraße  ab, die mitten durch den Ort führt - natürlich ohne Bürgersteig, ist Mandi eine schöne Stadt. Die umgebenden Berge sind nur schwach besiedelt und es gibt im für europäische Augen grellbunten Zentrum jede Menge kleiner und kleinster Läden ("Tante Emma", würde man bei uns sagen), die alles und nichts verkaufen. Von den Reiseführern wird Mandi eher stiefmütterlich beschrieben ("Kreuzung zweier alter Handelsstraßen"), aber es gibt hier auch  interessante Sehenswürdigkeiten.

Eine ist der Lake Prashar, ein kleiner, fast runder See im Gebirge mit einer kleinen kreisrunden Insel, die sich fortwährend gemächlich bewegt. Die wollte ich natürlich sehen. Und so wurde für das vergangene Wochenende eine Trekking-Tour geplant.Ein Blick auf die Karte zeigte, dass das für ältere Herrschaften eine mehr als tagesfüllende Angelegenheit ist. Der See liegt auf 2700 m Höhe, weit weg von bewohntem Gebiet. 16 km Bergwanderung mit 1700 m Höhenunterschied sind meine Sache nicht mehr, besonders da meinen schönen Trekkingschuhen samt sonstigem Paketinhalt die Einreise nach Indien vom Zoll untersagt wurde.
Aber wie kommt man in diese einsamen Höhen? Ganz einfach: man mietet ein Auto mit Fahrer - das kostet ca. 23 €. Wer wie ich einen SUV mít Allrad-Antrieb erwartet hatte, sah sich enttäuscht. Wir fuhren, zunächst ganz bequem, in einem Toyota-Bus ohne irgendwelche Bergausrüstung, schon gar nicht 4WD. Lediglich die Hupe war deutlich stärker als in Deutschland üblich, aber das ist hier bei jedem Motorfahrzeug so.

Die Straße wurde enger, die schneebedeckten Berge kamen in Sicht und irgendwann hörte die befestigte Straße ganz auf und es ging über Stock und Stein den extrem holprigen Wanderweg hinauf. Wanderer haben wir unterwegs keine getroffen. Selbst oberhalb von 2000 m ist die Vegetation üppig: mächtige Himalaya-Tannen und ... Rhododenron- nein, nicht Büsche sondern Wälder. Die stehen gerade in Blüte, ein wunderschöner Anblick - aus dem Auto heraus. Nein, zum Fotografieren sind wir natürlich  ausgestiegen.


Glücklicherweise mussten die letzten Höhenmeter zu Fuß zurück gelegt werden, also kein Parkplatz am Seeufer. Das hätte dem heiligen Weisen Prashar, der sich vor etwa 800 Jahren hierher zum Meditieren zurückgezogen hat, auch kaum gepasst. Selbst die kleine Insel ist sein persönliches Refugium und darf nicht betreten werden, obwohl er eigentlich in dem sehr schönen Tempel sitzt, der aus einem einzigen Baumstamm geschnitzt worden sein soll. Wie in den hinduistischen und buddhistischen Tempeln üblich, darf man ihn ohne Weiteres betreten und fotografieren, vorausgesetzt man zieht die Schuhe aus. Hier wurde ich zusätzlich aufgefordert, meinem Gürtel abzulegen. Terrorgefahr? Keineswegs, es geht um das Leder, das man nicht mit in einen Tempel nehmen darf. Mein Portemonnaie habe ich der Einfachheit halber etwas tiefer in die Tasche gesteckt, schließlich wollte ich nicht unfreiwillig Geld oder die Kreditkarte opfern. 


Neben dem Tempel gibt es auch noch einen kleinen Gemischtwarenladen von der Größe einer geräumigen Telefonzelle. Hier gibt es alles: Babywindeln, Eiscreme, Seife, Tütensuppe und einen leckeren, frisch zubereiteten Tee, der übrigens nicht in Wasser sondern in Milch gekocht wird.
Die wenigen Leute, die den Tempel instand halten, leben hier das ganze Jahr. Im Winter heißt das: von den Vorräten leben,  hauptsächlich Reis und Dal, eine Art Suppe aus getrockneten Hülsenfrüchten, sowie Chapati  (Roti), frisch gebackenes Fladenbrot, das zu allem und jedem serviert wird, auch beim Inder um die Ecke in Berlin-Mitte. Immerhin führt eine ganz normale Wasserleitung bis in diese Höhe.

 Hier ist man im Winter meist eingeschneit. Wir konnten trotz 26° (in 2700 m Höhe!) noch die allerletzten Reste des Schnees besichtigen, abgesehen vom Panorama der weißen Himalayagipfel.

Nach einigem Zögern erzählten die Einheimischen dem Senior unserer kleinen Truppe (nein, das war ich nicht, ich spreche auch kein Hindi), dass sie heute einen Ziegenbock geopfert hätten. Man muss wissen: Rituelle Tieropfer sind in Indien verboten. Wer nun denkt, das Tier werde dem Heiligen Parasha vor die   Füße gelegt, irrt sich. Es wandert vielmehr in den Kochtopf. Vermutlich wird im Winter der Speiseplan auch gelegentlich durch ein Opfer angereichert.
Am Rande sei die indische Gastfreundschaft lobend erwähnt. Wir wurden zum Festmahl eingeladen, haben aber dankend abgelehnt.

Insgesamt muss man sagen: ein schöner, ruhiger Ort, der den Besuch lohnt. Angenehm auch das fast völlige Fehlen von Touristen (bis auf uns...). Nur im  Juni gibt es hier ein Götterfest, ähnlich der Shivaratri im März in Mandi. Leider haben wir das Geheimnis der sich bewegenden Insel nicht lüften können.

Zurück in Mandi wollten wir noch ein Bier trinken. Das darf allerdings nur in speziellen Läden verkauft werden. Und  in der Nähe der Nationalstraße schon gar nicht. Kein Problem: das unmittelbar am National Highway in Mandi liegende Geschäft wird nur einen Spalt göffnet. Der Kundige bückt sich und gibt seine Order an den unsichtbaren Verkäufer, der prompt die Bierflaschen, gut getarnt mit Papier oder Einkaufstüte über die Theke (den auf dem Bild sichtbaren Karton) reicht. Besonders schön: auch die Polizisten der wenige Meter entfernten Polizeistation kaufen hier ein.

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