Samstag, 9. März 2013

Der Minister kommt!





Noch vor den Göttern kommt die Politik. Am Tag vor Shivaratri - dem Göttermarkt - hielt die hohe Politik Einzug auf dem Campus. Das war etwa so, als ob Eberswalde von der Wissenschaftsministerin aus Berlin und Matthias Platzeck und seinem halben Kabinett gleichzeitig heimgesucht wird. Entsprechend verlief der Besuch ganz ähnlich. Die Politiker kamen eine Stunde zu spät, sie rauschten (wenn man das auf diesen Straßen so sagen kann) mit einer nicht enden wollenden Fahrzeugkarawane an (Rot- statt Blaulicht - ohne tiefere Bedeutung, die man vermuten könnte)  und hielten freundliche Reden. Ich habe alles problemlos verstanden, obwohl teilweise Hindi gesprochen wurde.
 Besonders hingebungsvoll fielen die Begrüßungen aus: jeder Redner musste jeden Einzelnen auf dem Podium (etwa 10 Personen) ausgiebig  mit allen Titeln und Funktionen begrüßen. In der Summe dauerte dies allein etwa 30 Minuten.  Anlass für den Besuch war die Eröffnung eines Studentenwohnheimes und eines neuen Gebäudes für die Ingenieurwissenschaften auf dem neuen Campus in Kamand (hier das Bild eines älteren Herrn vor dem Wohnheim, der wegen seiner Verkleidung beinahe mit dem Minister verwechselt worden wäre). Kurzzeitig aus der Fassung gebracht hat mich eine rote Fahne mit Hammer und Sichel. Sollten sich hier in den indischen Bergen die letzten Betonköpfe der untergegangenen Sowjetunion verschanzt haben? Keineswegs. Es handelt sich um die Fahne der indischen kommunistischen Partei, in der auf dem Campus beschäftigte Bauarbeiter, die selbstverständlich auch an dem Empfang teilnahmen, organisiert sind. Sie scheint der deutschen Linken ähnlich, stellt in einigen Regionen die Landesregierung und macht, wie mir gesagt wurde, einen ordentlichen Job.

Die angereisten Politiker erweckten durchaus den Eindruck  etwas bewegen zu wollen. Der Ministerpräsident des Landes Himachal Pradesh versprach die halsbrecherische Straße zwischen Mandi und Kamand auszubauen, der Minister für Human Resources aus Dehli versicherte glaubhaft seine Unterstützung für das Projekt IIT Mandi. Tatsächlich kann in Kamand eine sehr schöne Stätte für Lehre und Forschung inmitten der herrlichen Berglandschaft entstehen, weitweg von den  Zentren mit ihren vielfältigen Ablenkungen. Es ist zu hoffen, das dies in den den nächsten 5 Jahren gelingt. Dieses Ziel zu unterstützen war das Anliegen der angereisten Politiker.  Der Minister der indischen Regierung ist ein offenbar recht tatkräftiger Technokrat, der in den USA und in Oslo gelebt und u.a. eine IT-Firma aufgebaut hat. Ihm ist noch einiges zuzutrauen, gerade weil er neben seiner persönlichen Qualifikation aus einer Politikerfamilie stammt (Großvater und Vater waren in der  Politik aktiv). Letzteres hat in Indien Tradition. Aber er wäre nicht der erste, der in der indischen Politik scheitert. Man gewinnt hier den Eindruck, dass die Demokratie eine Art Spiel zwischen den Parteien und Interessengruppen ist. Man tut niemandem zu sehr weh und wird dafür auch in Ruhe gelassen, allen Schaukämpfen im Parlament zum Trotz. Sollte in Indien (Vorsicht: politisch inkorrekt!) ein dritter Weg zwischen der westlichen Demokratie und dem chinesischen Kommutalismus der richtige sein? Diese Diskussion gibt es unter Intellektuellen.

Der Tag endete mit Kultur und üppigem Abendessen. Die Tänze wirken fremdartig und faszinierend zugleich. Das Alphorn - siehe sein Himalaya-Pendant im Video - wirkt auf Nicht-Alpenländler wohl auch etwas ungewöhnlich.

 Das Abendessen fand im ehemaligen Palast des Prinzen von Mandi statt, der jetzt ein Edellokal betreibt. Ein sommerlich anmutender Abend (25°) im Garten mit ausgezeichnetem Essen rundete den Tag ab. Enttäuschend war allerdings für mich die Auskunft, dass die Säuberungsaktionen in der Stadt und auf dem Weg zum Campus Kamand - jede Menge Leute wedelten mit Zweigen den Staub von den Straßen - weniger mit den Göttern als mit dem hohen politischen Besuch zu tun hatten. 

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