Sonntag, 24. März 2013

Manali und Kullu


Gestern endlich ein Besuch in Kullu, der Cannabis-Welthauptstadt. Trotz 25° Tagestemperatur ist es noch Frühling, da erntet man  Orangen aber kein Cannabis indica, eine Hanfpflanze, der eine eher einschläfernde Wirkung nachgesagt wird.  Um der Wahrheit die Ehre zu geben: nicht dezent versteckte Hanfplantagen sondern Manali war das eigentliche Ziel unserer Reise. Hier beginnt der hohe Himalaya, Die Stadt hat sich in den letzten Jahren zu einem Ziel für Honeymooner und Backpacker entwickelt. Aber der Reihe nach.

Die Fahrt führt zunächst durch das sehr enge Beas-Tal - für historisch Interessierte: der Beas ist der Fluss, bis zu dem Alexander der Große vorgedrungen ist -  vorbei an einer Talsperre (an der Sperrmauer fotografieren verboten), immer wieder wechseln Schlagloch gepflasterte Teilstrecken und bestens ausgebaute Stücke dieser Nationalstraße ab. Auch wenn ich mich schon an den Fahrstil hier gewöhnt habe: diese Strecke hatte wieder ihre eigenen Momente, in denen man Zweifel hat, das Ziel bei guter Gesundheit zu erreichen. Ein sechs Kilometer langer Tunnel verkürzte die Serpentinen zwar um einiges, der Tunnel würde in Mitteleuropa aber unweigerlich sofort gesperrt: Keine Ventilation, die Abgasschwaden behindern die Sicht und benebeln die Insassen, von Rettungswegen weit und breit keine Spur. Vielleicht durchquerte unser Fahrer  nur deshalb den Tunnel mit halsbrecherischer Geschwindigkeit, um ihn möglichst schnell hinter sich zu bringen. Zugegeben, ich war auch ganz froh, als wir das Licht des Tages wieder erblickten.


Kullu bietet dem Durchschnittstouristen, zu denen ich zähle, nicht viel Neues. Deshalb sind wir direkt weiter nach Mandali (liegt 2000 m hoch) gefahren. Entfernt fühlt man sich dort in die Alpen versetzt. Eine schöne Bergkulisse, Gedrängel in der Einkaufszone und im alten Teil der Stadt Bauernhäuser, die auch im Ziller- oder Ötztal stehen könnten. Jedenfalls muhte auch die Kuh im Stall. Der ist praktischerweise im Erdgeschoss untergebracht. Damit dienen die Kühe im Winter als Zentralheizung für die oberen beiden Stockwerke. Neben dem  Hauch von alpenländischem Flair verfügt Manali auch über einige indienweit bekannte Tempel. Davor wird Babykleidung verkauft und gesetztere Damen lassen sich  mit Lämmern oder Angorakatzen fotografieren, für bare Münze versteht sich. Die (lohnenden) Besuche der Tempel haben mir auch ein Bindi eingetragen, den roten Punkt zwischen den Augen. Dort befinde sich eines der sieben Chakren, der sieben Energiezentren des Menschen. Besser gefällt mir die Interpretation des Punktes als Sitz des geheimen Wissens. Genug der Esoterik. Der Manu-Tempel mit seinen mysteriösen Göttinen - warum streckt mir eine die Zunge raus? - erzählt die Geschichte von Manu, der die "Seeds of creation" in seinem Boot vor einer großen  Flut im Himalaya in Sicherheit brachte und dort die Zivilisation gründete. Noah mit seiner Arche war also kein Einzeltäter. Wahrscheinlich, dass es in grauer Vorzeit eine verhehrende Flut gab, die in den Mythen der Religionen weiterlebt.

Die Stadt besitzt eine quirlige Mall. Hier kann man sich mit Textilien aller Art eindecken, den echten Kullu-Schals, der Spezialität der Gegend, bis zu fragwürdigen Adidas-Pullovern, vermutlich aus China. Da die Größen eher denen der Durchschnittsinder als denen   stämmiger Mitteleuropäer angepasst sind, musste ich verzichten. Zum Trost gab es eine Tüte frisch gerösteter Cashews von dieser Dame.

Der Rohtang-Pass gilt als die gefährlichste Straße der Welt. Das ist  zumindest dann richtig, wenn man einen wagemutigen Fahrer hat - und welcher Inder ist im Straßenverkehr nicht höchst wagemutig? Leider war in etwa 2700 m Höhe Schluss, so dass ich das Bild nahe der Passhöhe aus dem Internet beziehen musste. Warum die Straße so gefährlich ist, wurde aber bald klar: Die Straße ist nicht nur kurvenreich und schmal - manchmal passt gerade mal eine Fußlänge zwischen Auto und ungesicherten Abgrund, sondern sie ist unentwegt von Erdrutschen bedroht. Die Straße im Mai wieder durchgängig befahrbar zu machen, ist ein aufwendiges und technisch schwieriges Unterfangen. Der im Bau befindliche Tunnel soll  2015 fertig sein, kaum zu glauben, denn die Arbeiten mussten gerade wieder wegen großer Massen in Bewegung geratenen Gerölls für Monate unterbrochen werden.

Was Nervenkitzel angeht, bildete die Rückfahrt bei Dunkelheit den krönenden Abschluss. Am Besten war noch das  Fernlicht der entgegen kommenden Fahrzeuge als blendende Orientierungspunkte. Kühe mitten auf der Straße oder als Kadaver im Straßengraben - damit schon im nächsten Leben, zur Seite springende Menschen am Straßenrand, noch im Diesseits und unbeleuchtete Fahrzeuge konnten einem wirklich Angst machen. Immerhin habe ich das erste Mal bewusst ein Verkehrszeichen gesehen: Geschwindigsbegrenzung auf 50 km/h, schwups waren wir mit Tempo 70 dran vorbei.

Zum Schluss noch eine kleine Geschichte, die nichs mit der Manali-Expedition zu tun hat. Sie lässt vermuten, dass unsere Artverwandten (auf dem Foto spielen zwei    auf meinem Balkon) längst in der ökonomischen Phase des Tauschhandels, verbunden mit einiger krimineller Energie, angekommen sind. Als ich beiläufig von der Affenplage in Shimla - dort sollte man immer einen Stock bei sich tragen - erzählte, berichtete ein Kollege empört, ihm habe ein Affe seine Digitalkamera aus der Hosentasche geklaut. Nach zehn Minuten Jagd ließ sich das Tier auf einen Tauschhandel ein: Futter gegen Digitalkamera. Die Erkenntnis, dass man weder Geld noch Digitalkameras essen kann, ist also auch schon bei unseren Artverwandten angekommen.

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