Mittwoch, 20. März 2013

Studieren in Mandi



Die Götter sind abgezogen. Das hat sein Gutes: pünktlich ab 5:30 Pauken und Trompeten (dezent), ab 19:00 Bollywood-Festival, sprich Rock und Pop auf indisch. De Lärmpegel unter meinem Fenster grenzte an Körperverletzung. Jetzt gibt es nur noch den Markt. Die Händler kommen aus dem Süden und ziehen monatelang von Markt zu Markt. Eigentlich nichts Ungewöhnliches, aber es fehlen die Wohnwagen. Stattdessen kampiert man unter ein paar Decken im Verkaufszelt - die Bezeichnung ist ein Euphemismus, handelt es sich doch nur um Zeltbahnen, die notdürftig über ein Gestänge drapiert werden. Morgens und abends bruzzelt das Feuer. Regnet es mal, dann heftig. Die Händler haben dann schlechte Karten. Sobald die Sonne scheint, sieht man das textile Handelsgut in der Sonne trockenen.

 Eigentlich wollte ich über die Studenten schreiben. Sie arbeiten auch während der göttlichen Tage eifrig und intensiv wie immer. Aber die Vorfreude auf die nächste Woche mit drei freien Tagen ist auch bei den Studenten groß. Man glaubt es kaum: Karfreitag ist hier ein Feiertag.

 Wie in ganz Indien (und mittlerweile auch in D) werden Diplome in allen möglichen Disziplinen von allen möglich Institutionen vergeben - Colleges, High education Institute oder wie sie immer heißen mögen.  Das IIT und anerkannte Universitäten nehmen eine Sonderstellung ein. Jede(r), der ein Indian Institute of Technology besuchen will, muss eine hohe Messlatte überspringen: die Indien-weite Aufnahmeprüfung mit viel Mathematik und Naturwissenschaften sei sehr schwer, viele scheitern. Die Kosten im Bachelorstudium sind gering oder man bekommt ein Stipendium, Master- und PhD Studenten erhalten ein ausreichendes staatliches Vollstipendium.
 
Es gibt zwar auch hier die typische Aufteilung von sehr guten, mittelprächtigen und schwachen Studenten, das Niveau ist aber höher. Genaueres dazu nach dem ersten Test ("Quiz") nächste Woche. Was auffällt, ist die Belastbarkeit der Studenten: Meine Übungszettel sind etwa doppelt so lang wie in Berlin und deutlich aufwendiger. Bisher gab es keinen Protest. Lediglich letzte Woche wurde ich um Aufschub der Abgabe um 2 Tage gebeten, weil insgesamt 6 schriftliche Arbeiten zu dem Termin fertig werden müssten. 

Auf dem Campus in den Bergen gibt es  außer etwas Sport nichts  was einen vom Studieren ablenken könnte. Morgens, mittags, abends jeweils ein halbe Stunde Essenausgabe (ziemlich mies im Gegensatz zur Professorenmensa in Mandi), am Wochende vielleicht mal ein selbst organisiertes Fest, das war es auch schon mit Ablenkung. Sport wird auch auf dem Campus in Mandi groß geschrieben. Da das Gebäude von einem benachbarten College geerbt wurde, gibt es eine Mehrzweckhalle. In die wurden "faculty cabins", winzige Büros für Professoren, gebaut, (links und rechts hinter den Glasfenstern), dahinter spielt man jeden Abend Badminton und zu besonderen Anlässen Kultur auf der Bühne. 

So sehr ich die Leistungsfähigkeit der Studenten schätze, so skeptisch bin ich hinsichtlich der Erziehung zu Verantwortung, Selbstständigkeit und sozialem Handeln. Im System der IITs ist eine School of Humanities vorgesehen, In Mandi wird sie von einem herausragenden Germanisten geleitet (der perfektes Deutsch spricht und schreibt). Hier wird sicher mehr als technisches Wissen vermittelt. Aber ob das ausreicht, wage ich zu bezweifeln.

Irritiert haben mich die Studenten anfangs in den Vorlesungen durch ihr Kopfschütteln. Ah, nicht verstanden? Nein, Kopfschütteln heißt: "Ja, alles klar". Dieses Problem ist in Europa nicht unbekannt und hat bereits zu den bekannten Turbulenzen in der EU geführt. Wenn Frau Merkel den Kopf schüttelt, signalisiert das den Griechen Einverständnis. Endlich wird mir klar, warum die Rettung Europs nicht vorankommt.

Zum Schluss noch ein kleines Rätsel für diejenigen, die Indien nicht kennen: Um was für eine Boje handelt es sich auf dem Bild? 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen